„Die ständig wachsende Zahl von Diabeteserkrankungen stellt unser Gesundheitssystem vor große Herausforderungen. Wir müssen jetzt handeln, damit uns die Kosten für die Behandlungen von Diabetes und seiner Folgeerkrankungen nicht über den Kopf wachsen. Und die wissenschaftlichen Studien zeigen, dass man gegen Typ 2-Diabetes tatsächlich erfolgreich etwas tun kann“, sagte Ministerin Altpeter.
Derzeit leben in Baden-Württemberg circa 735.000 Menschen mit der Diagnose Diabetes, weitere mehr als 200.000 sind ebenfalls krank, wissen das aber nicht. Schon heute ist Diabetes mellitus Typ 2 mit etwa sechs Millionen betroffenen Menschen eine der häufigsten Volkskrankheiten in Deutschland. Die Zahl der Neuerkrankungen steigt kontinuierlich – jeden Tag erkranken bundesweit über 700 Personen neu an Typ 2-Diabetes, pro Jahr sind das circa 270.000 Menschen. Jeder dritte über 70-Jährige ist Diabetiker. Betroffen sind aber auch immer häufiger Kinder und Jugendliche.
Diabetes mellitus wird oft erst spät erkannt, auch weil die Krankheitssymptome oft über viele Jahre hinweg nur schwach ausgeprägt sind. Ein ungesunder Lebensstil und falsches Ernährungsverhalten spielen bei der Erkrankung eine erhebliche Rolle, Übergewicht gilt als eine der Hauptursachen. Diabetes und seine Folgeerkrankungen beschneiden massiv die Lebensqualität der Erkrankten und verringern die Lebenserwartung um bis zu 14 Jahre.
Aktionsplan gegen Diabetes
Der nahezu 100 Seiten umfassende Aktionsplan beschreibt auf vier Themenfeldern Ziele und Maßnahmen, um das Typ 2-Diabetesrisiko zu senken und seine Folgen zu reduzieren:
- „Risikogruppen und Erkrankte identifizieren und erreichen“
- „Erkrankungsrisiko senken durch Gesundheitsförderung und Prävention“
- „Versorgungsstrukturen stärken“ und
- „Stärkung der sozialen und regionalen Diabeteskompetenz“.
Erarbeitet wurde das Maßnahmenpapier von einem von Ministerin Altpeter eingerichteten Fachbeirat Diabetes mit Mitgliedern aus Medizin, Wissenschaft, Krankenkassen, Kommunalen Landesverbänden, öffentlichem Gesundheitsdienst, anderen Ministerien sowie aus der Selbsthilfe.
Risikogruppen und Erkrankte besser identifizieren und erreichen:
Deutlich effektiver als bisher sollen Altpeter zufolge die Maßnahmen zur Früherkennung von Diabetes mellitus Typ 2 gestaltet werden. Sie werde sich deshalb unter anderem auf Bundesebene für die Einführung einer systematischen Früherkennungsuntersuchung von Diabetes mellitus Typ 2 einsetzen, so die Ministerin. Diese könne bspw. mit anderen bereits bestehenden Präventionsmaßnahmen („Check-up-35“) verbunden werden. „Studien belegen, dass man den Ausbruch von Diabetes Typ 2 deutlich verzögern oder sogar verhindern kann, wenn man frühzeitig um sein Krankheitsrisiko weiß und seinen Lebensstil ändert“, erklärte die Ministerin.
Erkrankungsrisiko durch Gesundheitsförderung und Prävention senken:
Sind Personen als besonders risikobelastet identifiziert oder leiden sie bereits an einer Prädiabetes, dann sollen sie sich in Zukunft individuell beraten lassen können, wie sie ihren Lebensstil ändern können. Große Hoffnungen setzt Altpeter hierbei auf das neue Präventionsgesetz des Bundes, das unter anderem vorsieht, die bestehenden Gesundheits- und Früherkennungsuntersuchungen weiterzuentwickeln und Ärzten die Möglichkeit zu geben, individuelle Präventionsempfehlungen für ihre Patienten auszustellen.
Zudem soll das Informationsangebot nach dem Willen der Ministerin deutlich erweitert werden. Bislang sei das Wissen über Diabetes und mögliche Präventionsmaßnahmen in der Bevölkerung oft sehr gering ausgeprägt, selbst bei einer familiären Diabeteserkrankung, so Altpeter.
Unter anderem für Schwangere soll es auch zielgruppengenaue Präventionsangebote geben. Bis zu 60 Prozent aller Frauen mit einem Schwangerschaftsdiabetes erkranken innerhalb von zehn Jahren nach der Schwangerschaft an einem Diabetes mellitus Typ 2, so dass Präventionsangebote für diese Patientinnengruppe notwendig und sinnvoll sind.
Versorgungsstrukturen ausbauen und stärken:
Die Ministerin will auch der Empfehlung der Fachleute folgen und die Versorgungsstrukturen im Diabetes-Bereich ausbauen. Das gilt besonders für spezialisierte Fußambulanzen und psychologische Betreuungsangebote. Altpeter zufolge entwickeln rund ein Drittel der Patienten im Lauf der Erkrankung behandlungsbedürftige psychische Störungen. Deshalb will sie auf Landesebene gemeinsam mit allen Beteiligten detailliert erarbeiten, wie für die Zukunft gewährleistet werden kann, dass möglichst viele Patienten entsprechende Angebote erhalten.
Fußambulanzen sind auf die Behandlung des diabetischen Fußsyndroms ausgerichtet, eine Durchblutungsstörung der Füße, die für circa 70 Prozent (rund 50.000 Fälle im Jahr) aller Amputationen in Deutschland verantwortlich ist. Altpeter will nun gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung prüfen, wie mehr spezialisierte Fußambulanzen in Baden-Württemberg eingerichtet werden können. Bislang ist die Versorgungsdichte mit entsprechend zertifizierten ambulanten oder stationären Behandlungseinrichtungen in Baden-Württemberg relativ gering. „Hier müssen wir mehr tun“, so die Ministerin.
Stärkung der sozialen und regionalen Diabeteskompetenz:
Weil bislang nur wenige verlässliche Daten für Deutschland bzw. Baden-Württemberg vorliegen, sollen Daten über Häufigkeit, Behandlung und Therapieergebnisse von Diabetes künftig besser erfasst bzw. besser verarbeitet werden können. Altpeter zufolge wird sich die Landesregierung für die dafür erforderlichen rechtlichen Änderungen bzw. Grundlagen – zum Beispiel Datenweitergabe von Krankenkassen, Kassenärztlicher Vereinigungen und Sozialhilfe – auf Bundesebene einsetzen.
Um die Auseinandersetzung mit Diabetes mellitus auch auf regionaler Ebene anzustoßen, kündigte Altpeter eine Impulsförderung an, mit der Diabetes als Schwerpunktthema in den Kommunalen Gesundheitskonferenzen gefördert werden soll. Auf Kommunalen Gesundheitskonferenzen erarbeiten die regionalen Akteure des Gesundheitswesens vor Ort Lösungen für gesundheitspolitischen Herausforderungen der Region. Sie führen kommunalen Sachverstand und umfassendes fachliches Wissen zusammen und beziehen die Bürgerinnen und Bürger von Beginn an mit ein. Die Ministerin: „Die Bekämpfung von Diabetes ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir auf allen Ebenen und mit allen Bevölkerungsgruppen angehen müssen. Dafür sind die Kommunalen Gesundheitskonferenzen, die wir mit dem neuen Landesgesundheitsgesetz zur Pflichtaufgaben für die Stadt- und Landkreise gemacht haben, wie geschaffen.“
Hintergrundinformationen
Diabetes mellitus („Zuckerkrankheit“) ist der Sammelbegriff für unterschiedliche Störungen des Stoffwechsels, die zu chronisch erhöhten Blutzuckerwerten führen. Die Ursache liegt entweder in einer gestörten Produktion und Ausschüttung des Hormons Insulin oder einer gestörten Insulinwirkung oder auch in beidem. Langfristig erhöhte Blutzuckerwerte verursachen oftmals Folgeerkrankungen. So ist bei Diabetes das Risiko zum Beispiel für Schlaganfall, Zahnerkrankungen, Impotenz, Durchblutungsstörungen der Beine oder Füße oder für bestimmte Krebserkrankungen zum Teil deutlich höher als bei Menschen ohne Diabetes. In Deutschland sind circa 7,2 Prozent der Bevölkerung zwischen 18 und 79 Jahren an Diabetes erkrankt.
Es gibt unterschiedliche Formen der Diabeteserkrankung, die sich hinsichtlich der Ursachen, dem Zeitpunkt des Auftretens, der Prognose und der Häufigkeit stark unterscheiden. Dazu gehören unter anderem:
Der Diabetes mellitus Typ 1 tritt häufig im Kindes- und Jugendalter auf und ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die körpereigene Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse angreift und die insulinproduzierenden Zellen zerstört. Dadurch entsteht ein Insulinmangel. Betroffene sind lebenslang auf Insulinspritzen angewiesen. Bisher gibt es keine Möglichkeit, die Erkrankung zu vermeiden. In Deutschland sind circa 350.000 Menschen an Diabetes mellitus Typ 1 erkrankt.
Rund 90 bis 95 Prozent aller Diabetes-Kranken weisen einen Diabetes mellitus Typ 2 auf. Er ist durch eine gestörte Produktion und Ausschüttung des Insulins und eine verminderte Wirkung des Insulins gekennzeichnet. Zwar erkranken die meisten Menschen erst im mittleren oder höheren Lebensalter an Diabetes mellitus Typ 2, die Erkrankung betrifft aber zunehmen auch jüngere Menschen. Übergewicht bzw. Adipositas, Bewegungsmangel sowie Vererbung sind Risikofaktoren für eine Erkrankung. In Deutschland sind etwa sechs Millionen Menschen davon betroffen.
Kosten für das Gesundheitssystem: Insgesamt gehen in Deutschland rund 12 Prozent der Gesamtausgaben des Gesundheitswesens auf das Konto von Diabetes und dessen Komplikationen. Diabetes belastet das Gesundheitssystem mit jährlich 25. Milliarden Euro an direkten Kosten im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung und 13 Milliarden Euro im Bereich der indirekten Kosten.